Samstag, 11. Januar 2014

The Dentist (Brian Yuzna, USA 1996)

Beverly Hills: Ein Albtraum ganz in weiß. Weiß sind die, von gleißendem Sonnenlicht durchfluteten Interieurs des protzigen Hauses von Dr. Feinstone (Corbin Bernsen). Weiß ist der Bademantel seiner schönen Frau Brooke (Linda Hoffman). Weiß sind die Zähne der Schönen und Reichen - und natürlich Weißen -, die Feinstone behandelt, denn er ist Zahnarzt. Nicht weiß hingegen ist der Schmutz, die Bakterien, die Fäulnis, die es für Feinstone, so sein - schon zu Beginn etwas eigenartiges - Berufsethos, auszumerzen gilt. Sie sind auch das einzige, wovor sich der neurotisch hygienebesessene Zahnarzt mehr fürchtet, als vor dem Finanzamt. Dieser Schmutz macht sich jedoch nicht nur in den Mündern seiner Patienten breit, er dringt auch in sein Privatleben ein. Genauer: in den Mund seiner Frau, in Form des pool boys Matt, der nicht nur aussieht, als sei er aus einem Porno entlaufen, sondern auch hauptsächlich da zu sein scheint, um die sexuellen Phantasien der gelangweilten Hausfrauen von Beverly Hills zu befriedigen. Mit ihm also kommt "dreckiger" Sex - oder zumindest das, was jemand wie Feinstone dafür halten mag - in die sterile weiße saubere Welt des Zahnarztes. Dieser beobachtet äußerst unamüsiert wie Brooke Matt am Pool einen bläst, wie der makellose weiße Körper seiner Frau von seinen schmutzigen Händen beschmiert wird. (Interessant ist hier, dass es eigentlich kaum noch um Eifersucht geht, sondern eher ums klassistische Ressentiment und das sexuelle Minderwertigkeitsgefühl gegenüber dem ebenso "schmutzigen" wie potenten Proletarier.) Ebenfalls nicht weiß ist Detective Gibbs (Ken Foree, der schon in Dawn on the Dead einen Polizisten spielte, und sich seit dem zu einer gern gesehenen B-Movie-Ikone entwickelt hat). Er hält Zahnärzte sowieso für Folterknechte in weiß, und verdächtigt deshalb, als der Hund von Feinstones Nachbarin erschossen wird, schnell Feinstone. Mit gutem Grund, denn dieser, der sein seelisches Gleichgewicht schon zu Beginn mehr schlecht als recht mit Händen voller Tabletten zu halten versuchte, dreht nun vollends durch. Er tritt, mit Pistole und - vor allem - dem Handwerkszeug seiner Zunft bewaffnet, einen Rachefeldzug gegen den Schmutz an, zieht eine immer größere Blutspur durch sein privates und berufliches Umfeld. Wo weiß war, soll rot werden.
Von meiner ersten Sichtung des Films vor etlichen Jahren hatte ich vor allem die Zahnarzt-Szenen in Erinnerung, die mehr durch Mark und Bein gingen als das meiste Andere, was ich an Splattrigem bislang im einem Film gesehen hatte. Tatsächlich sind die Nahaufnahmen von Bohrern, die sich in Zähne fräsen, bis das Blut sprudelt, von Küretten und Spritzen, die ins Zahnfleisch eindringen und die verzerrten Subjektiven Feinstones, der - zunehmend unter Wahnvorstellungen leidend - die Zähne seiner Patienten/Opfer als vergammellte Stümpfe sieht, nichts für Zartbesaitete - und schon gar nicht für Menschen mit Zahnarztphobie. Erstaunt hat mich allerdings, wie kurz diese Sequenzen sind (gut möglich, dass ich in der Erinnerung auch den ersten und den zweiten Teil durcheinander warf, der - leider nur - hiervon schon quantitativ einiges mehr zu bieten hat). Vollkommen entgangen war mir damals jedoch, wie sehr Brian Yuzna hier an die brachial-satirische Kritik an der "besseren Gesellschaft" anknüpft, die ja schon sein Regie-Debüt - und Meisterwerk - Society auszeichnete, dessen Handlung ebenfalls in Beverly Hills angesiedelt war. Entpuppte sich die High Society dort als verschworene Gesellschaft von Mutanten, denen die sozial schwächeren nur als Nahrungsmittel dienten, wohnt auch hier - schon bevor der dentale Terror wirklich beginnt - unter der schneeweißen Oberfläche das Grauen. Die perfekte Ehe, von der Feinstone zu Beginn im Voive Over spricht, stellt sich in nur einer Szene als keimfreier und gefühlskalter Albtraum heraus. Der Seitensprung der Frau erscheint allzu nachvollziehbar. Kaum sympathischer sind viele der Nebenfiguren. Hier kann ein hübsches Teenager-Naivchen keine Zehn Sekunden im Wartezimmer platz nehmen, ohne von einem "Agenten" (Mark Ruffalo in einer frühen Rolle) angequatscht zu werden, ob sie "modeln" möchte. Ist ein schmierige Steuerfahnender (Earl Borne) gerne bereit, gegen kleine Gefälligkeiten ein Auge zuzudrücken.
Mit jedem Yuzna-Film, den ich (wieder-)sehe, verstehe ich Diejenigen, die in dem Mann einen eigentlichen Stümper sehen, der sich lediglich darauf versteht, die Bedürfnisse adoleszenter Gorehounds zu befriedigen, etwas weniger. Inszenierung, Kamera und Ausleuchtung von The Dentist sind von einiger - szenenweise sogar beträchtlicher - Eleganz. Nur ein Beispiel: Als Feinstone Brooke in eine Falle in seiner Praxis lockt, sehen wir, die Kamera in Kniehöhe, zunächst wie sie durch eine Tür tritt, der lange Schatten ihrer Beine in Nylons und High Heels auf dem Boden. Immer in gleicher Höhe folgt der Kamera-Blick ihren Beinen zunächst bis sie durch eine andere Tür geht. Nun schleicht die Kamera, ohne Schnitt, durch einen leeren Flur, ganz blaustichige Dunkelheit und lange Schatten, bis sie zu einer weiteren Tür gelangt, aus der die Beine wieder ins Bild treten. Das sieht nicht nur ziemlich schick aus und sorgt für gelungene Suspense, es ist auch ein schönes Beispiel für die - bewußte - Inszenierung eines männlichen penetrierenden Kamera-Blicks, der alles, was er erfasst - also nicht nur Frauenbeine und was sie schmückend umhüllt, sondern auch die Räume, durch die sie sich bewegen - in einen Fetisch verwandelt.
The Dentist folgt der gleichen Struktur, wie viele andere Filme des Regisseurs. Eine - von vonherein als grundfalsch etablierte - Normalität öffnet sich immer mehr dem Grauen, um schließlich in einem so blutigen wie grotesken Albtraum, im fröhlichen Splatter-Exzess zu enden. Entscheidend ist dabei gar nicht mal so sehr die oberflächliche Kritik an den sozialen Veränderungen durch die neoliberalen Reaganomics (Society), einem völlig aus dem Ruder laufenden Militarismus (Return of the Living Dead 3) oder eben einem ins pathologische übersteigerten Hygiene- und Schönheitswahn (The Dentist). Viel wichtiger scheint mir, dass es eben Splatter-Filme sind, die - vollkommen unverhohlen - die Lust am zerstörten, verletzten und mutierten Körper zelebrieren. Diese Lust, die hier eben nicht mehr - wie in vielen Slashern aus den Achtzigern - unter den Deckmantel einer verlogenen Sexualmoral gestellt wird, ist auch als Rebellion gegen ein gesellschaftliches Ideal zu lesen, das den makellosen, gestählten, ständig "verbesserten" Körper als Ware feilbietet. Gerade durch Zerstörung und Mutation der Körper verteidigt Yuzna die Lust an ihnen gegen einen nur noch utilitaristischen Körper-Begriff.
 
 
Tape: Screen Power, Deutschland 1998 (OFDb-Link
 

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